Nimm das Leben als Geschenk, das in Liebe gegeben wurde und behandle es sorgsam. floravonbistram

Todessehnsucht



Lass uns tanzen

Lass uns tanzen,
diesen Tanz der Unendlichkeit,
befreit von den Hüllen,
die das Leben mit Narbennähten
uns auf den Leib schneiderte.

Lass uns tanzen
durch Träume der Vergessenheit,
entledigt der Masken,
die die Welt mit Meißelhieben
uns ins Gesicht hämmerte.

Lass uns tanzen
in das Licht der Ewigkeit,
vereinigt Hand in Hand ,
um ins Nichts zu entschweben,
das uns frei werden lässt.

Lass uns tanzen



FvB 1989
Gewidmet Renate und Werner,
die keinen anderen Ausweg fanden

Keine Zahlen

Ein Kind


Augen, riesengroß, schwarz und so erschreckend leer. In dem kleinen Puppengesicht ist keine Bewegung, das Kind steht wie erstarrt auf dem Platz des Trümmerhaufens, wie angewurzelt, festgenagelt, unbeweglich. Staub, kleine Steinchen, Kalk und Sand liegen um sie herum, auf ihr und bewegen sich immer noch in der Luft, malen beängstigend düstere, trübe Farben auf alles, was eben noch bunt, lebendig und fröhlich war.
Nicht einmal Unbegreifen spiegelt sich, kein ängstliches Weinen mischt sich in die Verzweiflungsschreie, die dumpf, fast wie in Watte gepackt, durch die Luft wehen, immer noch durchbrochen von dem Getöse der zusammenbrechenden Häuser, dem Nachrutschen von Wänden.
Das eben Geschehene ist erschreckend sichtbar in dem Verharren in der gleichen Pose: die Arme leicht erhoben, die winzigen Hände nach oben geöffnet, der kleine, fahle Mund, sonst sicher wie eine reife Kirsche, jetzt fahl, wie auch die drei Toten um sie herum - wohl die Mutter und etwas ältere Geschwister - gebannt im Schockzustand.
Wieviel Zeit so vergeht? Wer kann es sagen? Keiner stoppt die Uhr. Die Überlebenden suchen, rufen, weinen.

Bewegung in Richtung des kleinen Mädchens, das in seinem zerrissenen Kleid das Chaos nicht wahrnimmt. Ein Mann bahnt sich den Weg durch Trümmer, Verletzte und Tote. Er erkennt den Verlust, zusammenbrechend die winzige Gestalt umschließend und sein Schmerz zerreißt die Luft.

"Miyuki, Miyuki!"





11. März 2011

Eine Naturkatastrophe in Japan griff mit ungeheurer Gewalt in das Leben vieler 
Menschen ein. Es war ein ganz normaler Freitagnachmittag, als um 14.46 Uhr ein 
gewaltiges Erdbeben mit der Stärke 9,0 die Nordostküste Japans erschütterte. 
Das Zentrum des Bebens lag 130 Kilometer östlich der Stadt Sendai im Pazifik.
 Die Erdstöße waren bis auf das japanische Festland sehr stark zu spüren.
Das Erdbeben löste einen sogenannten Tsunami, eine riesige Flutwelle aus. Die bis
zu 15 Metern hohe Riesenwelle riss alles mit sich und richtete große Zerstörung an: 
Hunderttausende Häuser stürzten ein und rund eine halbe Million Menschen verlor ihr 
Zuhause. Fast 20 000 Menschen sind dabei nach Schätzungen gestorben.




FvBistram 2011

Träume und Seele

©Flora von Bistram